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Von der Autorin bisher bei KBV erschienen:

Aachener Todesreigen
Aachener Intrigen
Aachener Gangster

Ingrid Davis (Jahrgang 1969) ist gebürtige Aachenerin und begann bereits im Alter von zehn Jahren mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, Novellen und Gedichten. Ihr Weg führte sie nach dem Studium Englischer Literatur und Geschichte jedoch zunächst nicht in die Schriftstellerei, sondern ins Marketing und Projektmanagement. Hauptberuflich ist sie auch heute noch als Marketingmanagerin tätig und lebt in Aachen. Neben dem Krimischreiben verbringt sie ihre Freizeit gerne mit Reisen, Kino, Literatur und Strategiespielen.

Aachener Untiefen ist der vierte Band der Reihe um die schlagfertige Privat-Ermittlerin Britta Sander, die ein verhängnisvolles Talent besitzt, in gefährliche Situationen zu geraten.

Ingrid Davis

AACHENER UNTIEFEN

Britta Sanders vierter Fall

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Originalausgabe
© 2019 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim
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Umschlaggestaltung: Ralf Kramp
unter Verwendung von © glebstock und © Markus - Fotolia.de
Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Druck: CPI books, Ebner & Spiegel GmbH, Ulm
Printed in Germany
Print-ISBN 978-3-95441-459-8
E-Book-ISBN 978-3-95441-468-0

Für Reinhard.
Kluger Kopf und herzensguter Mensch.

Inhalt

PROLOG DIENSTAG, 11. JULI

DONNERSTAG, 20. JULI

FREITAG, 21. JULI

SAMSTAG, 22. JULI

SONNTAG, 23. JULI

MONTAG, 24. JULI

DIENSTAG, 25. JULI

EPILOG 2. AUGUST

DANKE

PROLOG
DIENSTAG, 11. JULI

Annika Halter bewegte sich langsam und vorsichtig auf ihre Wohnungstür zu, um durch den Spion zu schauen. Als sie sah, wer draußen stand, atmete sie erleichtert auf und öffnete die Tür. »Du bist es, das ist ja eine nette Überraschung«, lächelte sie.

Ihr Gegenüber erwiderte das Lächeln und sagte sanft: »Ich habe viel an dich gedacht und wollte einfach mal nach dem Rechten sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht.«

»Das ist so lieb von dir, komm doch rein.« Annika trat einen Schritt zurück und öffnete die Wohnungstür. »Wie bist du denn unten überhaupt reingekommen? Hat wieder jemand die Haustür aufgelassen?«, fragte sie besorgt.

»Nein, keine Sorge, es kam nur gerade zufällig jemand raus, als ich unten stand und klingeln wollte.« Annikas Gast, in der Hand eine Plastiktüte, trat lächelnd ein und wartete geduldig, bis sie die Tür wieder geschlossen hatte.

»Komm, wir gehen in die Küche, das ist der kühlste Raum«, sagte sie und ging voran. »Ist ja kaum noch auszuhalten, diese Hitze. Ob das irgendwann auch mal wieder aufhört?«

Annikas Gast folgte ihr auf leisen Sohlen. »Bestimmt, und wenn es in Aachen wieder so viel regnet wie sonst, sehnen wir uns alle wieder nach dieser Hitzewelle zurück.«

»Annika lachte. »Da hast du auch wieder recht.«

Sie betrat die Küche, und als ihr Gast mit der Plastiktüte raschelte, dachte sie sich nichts Böses. Deshalb traf sie der Schlag auf den Hinterkopf völlig unerwartet. Annika sackte ohnmächtig in sich zusammen.

Die Person, die Annika in ihre Wohnung gelassen hatte, betrachtete die junge Frau eine Weile versonnen, holte dann in aller Seelenruhe ein Paar Latexhandschuhe aus der Plastiktüte und streifte sie über. Dann beugte sie sich über die bewusstlose, junge Frau, schleifte sie rückwärts ins Schlafzimmer und drehte sie auf den Bauch. Ohne auch nur das leiseste Geräusch zu machen, ging der Gast zurück in den Flur und holte die Plastiktüte, stellte die Tüte auf den Boden und holte einen grünen Seidenschal sowie eine Plastikschachtel hervor. Wieder betrachtete die Person ihr Opfer versonnen und murmelte schließlich. »Jeder bekommt das, was er verdient.«

Dann begann der Gast sein teuflisches Werk.

DONNERSTAG, 20. JULI

13:45 Uhr, 33° Celsius

Wenn das noch lange so bleibt, geh ich ein wie eine Primel«, stöhnte mein Kollege Eric Lautenschläger und fächelte sich verzweifelt mit einer alten Akte Luft zu. »Seit Wochen tropische, ach, was sag ich, subtropische Verhältnisse. Wer soll denn dabei denken!«

»Na ja, ob ich das mit den Denkschwierigkeiten jetzt auf die Hitze schieben würde …«, grinste ich und wich elegant der Akte aus, die in meine Richtung geflogen kam. »Außerdem haben wir momentan nichts zu denken. Kein einziger Fall weit und breit, nicht mal eine entlaufene Hauskatze. Wahrscheinlich liegen auch die Verbrecher bei dieser Bullenhitze in der Hängematte und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein.«

»Verdenken kann ich es ihnen nicht«, seufzte Eric. »Man bricht ja schon in Schweiß aus, wenn man nur die Augenbraue lüpft.« Er drehte sich auf Silkes Bürostuhl um und zog, ohne die nackten Füße vom Tisch zu nehmen, eine neue Akte aus dem Regal hinter sich. Dann fuhr er fort, sich Luft zuzuwedeln, und schloss ermattet die Augen. »Wer ist eigentlich auf die behämmerte Idee gekommen, dass wir beide hier in den Sommerferien die Stellung halten, während alle anderen in Urlaub fahren?«

Außer uns und Sammy, der hechelnd in seinem Körbchen lag, war die Detektei vollkommen ausgestorben. Weil Silkes und mein Büro nach hinten rausging und deshalb marginal kühler war als die Büros nach vorne zum Brüsseler Ring, war Eric kurzerhand umgezogen und hielt Silke buchstäblich den Stuhl warm.

»Das warst bestimmt du«, brummte ich und nestelte weiter mit dem Schraubenzieher an unserem kleinen Tischventilator herum – in der Hoffnung, ihn wieder ans Laufen zu kriegen. »Dass daraus Dienst im subtropischen Gewächshaus werden würde, hattest du allerdings vergessen, beiläufig zu erwähnen.«

Eric schwieg eine Weile und sagte dann: »Hast du eigentlich noch rausgefunden, was es mit dieser geheimnisvollen, schwarzen Maske auf sich hatte, die dir im März jemand auf die Fußmatte gelegt hat?«

Während ich das Gehäuse des Ventilators öffnete und mir endlich das Innenleben ansehen konnte, schüttelte ich den Kopf. An meinem Geburtstag vier Monate zuvor hatte es frühmorgens unverhofft an meiner Wohnungstür geklingelt. Bis ich die Tür geöffnet hatte, war weit und breit niemand mehr zu sehen gewesen. Auf meiner Fußmatte hatte eine venezianische Augenmaske aus schwarzem Samt gelegen, komplett mit Seidenbändern zum Umbinden. Keine Botschaft, keine Erklärung. »Nein, immer noch keinen blassen Schimmer, von wem die gekommen ist oder was man mir damit sagen wollte.«

»Ich hab noch mal nachgedacht«, sagte Eric.

Neugierig hob ich den Kopf.

»Na ja«, grinste er, »vielleicht sucht Zorro einen Nachfolger oder du hast einen heimlichen Verehrer im Lack- und Leder-Milieu, der sich nicht aus der Deckung traut.«

Ich rollte mit den Augen und widmete mich wieder dem Ventilator.

»Nein, im Ernst«, fuhr er fort, »das kann doch nur ein Dummejungenstreich gewesen sein, oder?«

»Das glaube ich eigentlich nicht«, antwortete ich, während ich mit einer besonders widerspenstigen Schraube kämpfte. »Ich hab neulich mal Tom gebeten, sie sich anzuschauen. Ich hatte nämlich nicht den Eindruck, dass die nicht gerade aus ’nem Kaugummi-Automaten kam.« Tom Hartwig, ein international renommierter Kunst- und Antiquitätenhändler, der bei meinem letzten größeren Fall mein Klient gewesen war, kannte sich mit fast allem aus, was teuer und exklusiv war, und ich hatte das Gefühl gehabt, die Maske könnte in diese Kategorie fallen.

»Und?«, fragte Eric neugierig.

»Er sagt, es sei ein sehr wertvolles Stück. Handarbeit mit exklusivem Stoff, er vermutet, dass die Maske aus Italien stammt.«

»Oh-oh, nicht dass die italienische Mafia sich neuerdings für deine Dienste interessiert, jetzt wo du dich in Gangsterkreisen bestens auskennst.«

Dass Tom Hartwig in seinem früheren Leben ein berühmt-berüchtigter Gangsterboss gewesen war, übte fast so eine große Faszination auf andere Leute aus wie seine muskelbepackte Figur und sein schier unerschöpfliches Bankkonto.

»Papperlapupp, dann hätten sie mir ’nen Pferdekopf aufs Kopfkissen gelegt und keine Maske auf die Fußmatte.«

»Auch wieder wahr«, räumte Eric ein.

»Höchst merkwürdig das Ganze, aber mach dir keine Sorgen, ich krieg schon noch raus, wer dahintersteckt.«

»Die Frage ist nur, ob wir die Antwort wirklich wissen wollen.«

»Ich …« Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte, ich nahm den Hörer ab. »Detektei Schniedewitz & Schniedewitz, Britta Sander am Apparat.«

»Fachbereich Sport der Stadt Aachen, Irmgard Kohnen. Bin ich bei Ihnen richtig?«

»Äh, das kommt drauf an, wo Sie hinwollen, Frau Kohnen«, grinste ich.

Die Stimme am anderen Ende lachte. »Sie haben recht, Entschuldigung. Ich habe noch nie in einer Detektei angerufen.«

Wenn ich’s mir recht überlege, ich auch nicht. »Wie können wir Ihnen denn weiterhelfen?«

»Das würde ich lieber persönlich mit Ihnen besprechen. Die Angelegenheit ist etwas delikat.«

Hm, untreuer Ehemann oder simulierender Arbeitnehmer? »Ja, natürlich gerne. Sollen wir zu Ihnen kommen oder mögen Sie hier vorbeischauen?«

Sie räusperte sich. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, aber ich stehe schon hier unten bei Ihnen vor der Tür.«

Ich legte den Schraubenzieher weg, den ich immer noch in der Hand hatte. »Ach das ist ja praktisch. Geben Sie mir zwei Minuten, okay?« Ich legte hastig auf, nahm die Füße vom Tisch und verschwand unter meinem Schreibtisch, um hektisch nach meinen Sandalen zu suchen. Sammy sprang sofort begeistert auf und tat wild schnüffelnd sein Bestes, mir beim Suchen in die Quere zu kommen. Seit ich ihn einige Tage zuvor hatte scheren lassen, sah er aus, als wäre nur noch die Hälfte von ihm übrig. Seiner Neugier oder gar seinem legendären Appetit hatte das aber selbstverständlich keinen Abbruch getan.

Erics Kopf tauchte unter Silkes Tischplatte auf. »So schwer kann das doch eigentlich nicht sein, die Käsemauken zu finden. Das Eau de Chaussure erkenn ich auf Meilen gegen den Wind,« grinste er. »Warum denn plötzlich die Eile?«

Ich griff nach meinen Sandalen, die sich mucksmäuschenstill unter dem Rollcontainer versteckt hatten, robbte rückwärts und kam puterrot wieder hoch. »Unten vor der Tür steht eine Dame vom städtischen Sportamt und möchte mit uns sprechen. Ich schlage vor, du machst dich auf Schnuppertour nach deinen Quadratlatschen. Obwohl …«

»Raus!«, sagte Eric und zeigte auf die Tür.

»Moment mal! Das ist mein Büro!« In dem Moment klingelte es.

Ich stolperte in meine Sandalen und zur Eingangstür, während Eric sich auf der Suche nach seinen eigenen Mauken geräuschvoll den Kopf unter der Tischplatte anhaute.

Wenig später hörte ich Schritte auf der Treppe und eine sommerlich-leger gekleidete Mittfünfzigerin kam die Treppe hoch, ohne außer Atem zu geraten. Na ja, die arbeitet ja auch beim Sportamt.

Ich bat Irmgard Kohnen herein und wies ihr den Weg in unsere kleine Gemeinschaftsküche. Dabei verstellte ich ihr die Sicht in unser Büro, wo Erics Bobbes unter dem Schreibtisch hervorragte, weil sich seine Sandalen im Kabelgewirr unter den beiden Schreibtischen verheddert hatten.

Sammy trippelte Frau Kohnen schwanzwedelnd hinterher, Morgenluft in Form von Kalorien witternd.

»Ach, was für ein putziges, kleines Kerlchen!« Frau Kohnen beugte sich runter und streichelte Sammy über den Kopf.

»Bis vor ein paar Tagen war er noch ein kleines, schwarzes Wollknäuel. Jetzt ist er nur noch klein und schwarz. Aber bei der Hitze musste die Matte einfach ab. Entschuldigen Sie, dass wir nicht in unseren schicken Besprechungsraum gehen – momentan könnten wir den prima als Sauna untervermieten. Hier drin liegen wir wenigstens noch unter der 40-Grad-Marke. Wasser, Saft, Kaffee?«

»Wasser, bitte. Ich sage Ihnen, ich beschwere mich nie wieder darüber, dass es in Aachen so viel regnet. Nie wieder.«

Aus meinem Büro hörte ich lautes Scheppern und einen unterdrückten Fluch, als ich Frau Kohnen ihr Wasser reichte. »Wie Sie hören, stößt mein Kollege gleich auch noch zu uns«, sagte ich augenrollend, und Irmgard Kohnen lachte herzhaft. Schließlich erschien Eric verschwitzt in der Tür, nach wie vor barfuß. »Frag nicht«, sagte er zu mir, um dann Frau Kohnen mit einem formvollendeten Diener zu begrüßen. »Eric Lautenschläger, sehr erfreut. Entschuldigen Sie bitte das fehlende Schuhwerk – ich will mal sagen: höhere Gewalt.«

»Das haben wir gehört«, schmunzelte Frau Kohnen, setzte sich und sah sich interessiert um.

Nachdem ich Eric und mir ebenfalls Wasser eingegossen hatte, nahmen wir ihr gegenüber Platz. »Dann schießen Sie mal los.«

»Ich weiß gar nicht, ob Sie so kleine Aufträge überhaupt annehmen.«

Glauben Sie mir, im Moment nehmen wir alles, wenn wir nur hier rauskommen. »Jetzt machen Sie uns aber neugierig«, sagte ich höflich.

»Ja, also, es ist mir ein bisschen unangenehm …«

Eric setzte sein professionelles Ich-kenne-alle-schmutzigen-Geheimnisse-Lächeln auf. »Glauben Sie mir, Frau Kohnen, es gibt fast nichts, was uns nicht schon untergekommen wäre. Und Diskretion ist das A und O in unserem Job.«

Sie rutschte noch ein- oder zweimal verlegen hin und her und platzte dann heraus: »Wir haben einen Spanner.«

»Im Sportamt?«, fragte ich verdutzt.

»Im Hangeweiher.«

Eric und ich tauschten einen Blick. Dann sagte er: »Verstehen Sie mich nicht falsch, Frau Kohnen, aber gehören diese unangenehmen Individuen in einem Freibad nicht automatisch mit dazu? Also, was ich sagen will, ist, das Problem haben Sie doch sicher öfter. Schalten Sie dann immer eine Privatdetektei ein?«

»Nein, natürlich nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Sie haben recht – wie jedes Freibad hat natürlich auch der Hangeweiher immer mal wieder dieses Problem. Und normalerweise bekommen die Kolleginnen und Kollegen, die im Bad Dienst tun, das auch gut alleine in den Griff. In diesem Jahr haben wir allerdings zwei Besonderheiten, weswegen ich mich in Absprache mit der Badleiterin dazu entschlossen habe, dieses Mal externe Hilfe anzufordern.«

»Was sind diese Besonderheiten?«, fragte ich. Ich kam zwar auf meinen Jogging- und Fahrradrunden mit Sammy häufig am nahe gelegenen Aachener Freibad vorbei, ich konnte mich allerdings nicht erinnern, wann ich das letzte Mal drin gewesen war.

»Wie Sie sicher in den Medien mitbekommen haben, haben wir in den letzten Jahren fast drei Millionen Euro in eine Modernisierung des Hangeweihers gesteckt. Erst wurde die komplette Technik ausgetauscht, wir haben bundesweit die modernste Anlage überhaupt. Und dann haben wir vergangenen Winter alle drei Becken rundumerneuert. Der Abriss und die Neuplanung des bestehenden Gebäudekomplexes sind bereits in Arbeit und die Gelder bewilligt. Wir reden insgesamt von sehr viel öffentlichem Geld, das investiert wurde, um den Aachener Bürgerinnen und Bürgern ein modernes und attraktives Freilufterlebnis bieten zu können.«

Bleiben Sie dran, wir sind gleich nach der Werbepause wieder für Sie da.

»Hm«, brummte Eric verständnisvoll. »Und beim attraktiven Freilufterlebnis stört ein Spanner.«

»Das sowieso, aber dieses Jahr ist es noch dazu eine richtiggehende Epidemie. So viele Beschwerden wie in diesem Jahr hatten wir noch nie, und wir wissen noch nicht einmal, ob wir einen hyperaktiven Spanner haben oder eine ganze Armee von Gelegenheitsspannern. Auf jeden Fall hat das Ganze in den letzten Wochen ein Ausmaß angenommen, das wir für besorgniserregend halten. Und Sie wissen, Aachen ist ein Dorf. Wenn es sich herumspricht und die Frauen Sorge haben, in den Umkleidekabinen beobachtet oder auf der Liegewiese fotografiert zu werden, haben wir ein Problem.«

»Und die ganzen Investitionen wären im schlimmsten Fall für die Katz gewesen«, ergänzte ich.

Irmgard Kohnen nickte. »Wissen Sie, unsere Stammschwimmer und Stammschwimmerinnen halten weder Wind noch Wetter und auch kein dreister Spanner davon ab, in ihren geliebten Hangeweiher zu kommen. Die gehen auch bei fünf Grad Außentemperatur, und ein Fremder fällt in den verschiedenen Trüppchen, die so über den Tag verteilt kommen, sowieso schon auf wie ein bunter Hund. In einem normalen Aachener ›Sommer‹«, sie malte Anführungszeichen in die Luft, »mit drei Sonnentagen und ansonsten 15 Grad und Regen, löst sich das Problem häufig von alleine. In diesem Jahr jedoch ist die Lage deutlich anders.«

Tatsächlich erlebten wir gerade den unglaublichsten Sommer, den Aachen seit Menschengedenken gesehen hatte. Bereits der Mai hatte uns regelmäßig mit Temperaturen von bis zu dreißig Grad verwöhnt, auch der Juni war sehr freundlich gewesen. Seit Anfang Juli brannte die Sonne so gnadenlos vom Himmel, dass das Thermometer nur noch nachts unter die 30-Grad-Marke fiel, und wir vergessen hatten, wie man Regen buchstabierte. Und wenn man den Wetterfröschen glaubte, war ein Ende der Hitzewelle nicht in Sicht.

»Wir haben momentan bis zu sechstausend Badegäste pro Tag, und das seit Wochen«, fuhr Irmgard Kohnen fort. »In einem normalen Sommer sind es an gut besuchten Tagen zwischen zweitausend und dreitausendfünfhundert. Sie können sich vielleicht vorstellen, was da im Moment los ist. In allen drei Becken herrscht von morgens bis abends absoluter Hochbetrieb. Die Schwimmmeister haben alle Hände voll zu tun und stehen den ganzen Tag unter Hochspannung, und das Garderobenpersonal kommt bei diesen Massen mit dem Putzen kaum hinterher. Es hat einfach niemand Zeit, einem oder gar mehreren Spannern aufzulauern.«

»Und da dachten Sie an uns. Was für eine hervorragende Idee, Frau Kohnen. Wir freuen uns, wenn wir uns nützlich machen können, noch dazu unter freiem Himmel – und Ihre Kollegen im Freibad können sich ganz auf ihren eigentlichen Job konzentrieren. Das Problem haben wir im Handumdrehen gelöst, und Ihre Badegäste können sich wieder ganz unbeschwert im Hangeweiher amüsieren«, strahlte Eric.

Und erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

FREITAG, 21. JULI

07:30 Uhr, 24° Celsius

Als ich am nächsten Morgen mit einer Sporttasche über der Schulter und Sammy bei Fuß in die Detektei kam, hörte ich Eric schon in der Gemeinschaftsküche rumoren. Er hatte alle Fenster weit aufgerissen, um die brütend-heiße Atmosphäre durch ein bisschen Frischluft aufzulockern. Die Sonne brannte jedoch schon wieder vom Himmel, und die einzige Frage war, ob es heute so heiß werden würde wie gestern – oder noch heißer.

Erics Kopf poppte durch die Küchentür. »Noch ein Käffchen, bevor wir losschieben?«

»Unbedingt«, seufzte ich. »Bei der Hitze macht man ja kein Auge zu.« In der Küche ließ ich meine Tasche auf den Boden fallen und legte die Tüte mit frischen Hörnchen auf den Tisch. »Ich musste gestern Abend erst mal losziehen und mir Schwimmklamotten zulegen. Ich hab alles durchgesucht, aber mein alter Badeanzug war nirgendwo aufzutreiben.«

»Erstaunlich bei deinem legendären Ordnungssinn«, grinste Eric.

»Unverschämtheit«, grinste ich zurück und nahm mir eins der Hörnchen, als Eric den Kaffee auf den Tisch stellte. »Körber hatte jedenfalls einen Heidenspaß.«

»Ach was, der Herr Kriminaloberkommissar als Bademoden-Berater – da entpuppen sich ja völlig neue Talente! Ich dachte, er hat im Moment alle Hände voll zu tun mit diesem mysteriösen Mord?«

»Hat er auch«, sagte ich kauend. »Momentan kommt er irgendwann um ein oder zwei Uhr nachts nach Hause, fällt tot ins Bett und ist um sechs schon wieder unterwegs. Aber als er was von Bikinis und Badeanzügen gehört hat …«

»Mehr als verständlich.« Eric schmierte Butter und Marmelade auf sein Hörnchen und biss herzhaft zu. »Was ist es denn geworden? Badeanzug mit spitzen Pyramidenkörbchen und eine Badehaube mit aufgesetzten Blumen vielleicht? In Flieder oder Senf?«, gackerte er.

Ich rollte mit den Augen. »Lass dich überraschen. Ich habe übrigens gestern Abend noch mal nachgedacht.«

»O Gott, nicht schon wieder«, stöhnte Eric und verputzte den letzten Hörnchenrest. »Immer, wenn du anfängst nachzudenken, wird’s gefährlich.«

»Das stimmt überhaupt nicht!«, empörte ich mich, bot Eric noch ein Hörnchen an, nahm mir selbst noch eins und ignorierte geflissentlich Sammys vorwurfsvollen Blick auf die leere Tüte.

»Nein? Lass mich kurz überlegen. Ach ja, bei deinem letzten Fall musstest du erst aus den Klauen fieser Frauenhändler und dann – angeschossen wohlgemerkt – aus den Händen zweier Irrer befreit werden, die auf dem Kriegspfad gegen deinen Klienten waren.«

»Ach das …«

»Nicht zu vergessen der legendäre Auftritt des Spezialeinsatzkommandos der Polizei NRW kurz vor Weihnachten, die dich mit der Geiselnehmerin verwech…«

»Ja, ja, schon gut!«

»Und der brennende Bauernhof, der …«

»Okay, okay, okay, aber so dramatisch wird’s ja wohl diesmal nicht werden. Wir reden schließlich nicht von einem irren Mörder – mit dem schlägt sich ja Körber gerade herum – sondern von einem Spanner. Nur gucken, nicht anfassen ist das Motto. Da wird schon keiner in Lebensgefahr geraten. Ich hab jedenfalls noch nie von einem Spanner gehört, der Badegäste mit einem String-Tanga erwürgt. Du?«

»Das nicht, aber wenn du auf der Bildfläche erscheinst, weiß man nie.«

»Papperlapapp. Trotzdem haben wir, glaube ich, ein Problem.«

»Inwiefern?«

»Wir sind nur zu zweit – gegen sechstausend Badegäste. Eine Stecknadel im Heuhaufen ist ja nichts dagegen, erst recht nicht, wenn es nicht nur einer ist, sondern mehrere.«

»Da ist natürlich was dran«, räumte Eric ein. »Und hast du zufällig auch schon eine Lösung für unser kleines Personalproblem?«

»Na selbstverfreilich«, sagte ich zufrieden und biss in mein Hörnchen.

»Ja, und?«

»Na, ist doch ganz einfach. Erstens, Jyoti hat heute ihren letzten Arbeitstag und dann zwei Wochen Urlaub. Sie hat bestimmt nichts dagegen, ein paar Tage davon im Aachener Freibad zu verbringen.«

Bei der Erwähnung meiner langjährigen Freundin, die in Köln lebte und dort an der Uni in der Rechtsmedizin arbeitete, begannen Erics Bäckchen wie immer zu glühen.

»Eine hervorragende Idee«, strahlte er. »Und zweitens?«

»Zweitens weiß ich, dass Tahars wichtigste Kunden samt und sonders in die Sommerferien abgedampft sind, und bei ihm momentan genau so viel los ist wie bei uns – nämlich gar nichts.«

»Hm, keine schlechte Idee«, grinste Eric. »Die Frage ist nur, wo du so schnell einen Kran herbekommst.«

»Einen Kran?«, fragte ich begriffsstutzig.

»Ja wie willst du ihn denn sonst morgens um fünf aus dem Bett kriegen? Das Freibad öffnet unter der Woche um halb sieben – da ist doch sechs Uhr sicher der reguläre Dienstbeginn, auch für Undercover-Personal?« Mein bester Freund Tahar Karim, der seine Brötchen als IT-Sicherheitsberater verdiente, machte gern die Nacht zum Tag, und Auftritte in der Öffentlichkeit vor elf Uhr morgens hatten echten Seltenheitswert.

»Das kriegen wir schon hin. Immerhin hat er heute noch Schonfrist«, grinste ich und warf einen Blick auf die Uhr. Ist ja schon Viertel vor acht.« Ich zog mein Handy aus der Hosentasche, entsperrte es und tippte auf Tahars Kontakteintrag. Als es tutete, stellte ich auf Lautsprecher.

»Oui?«, klang es verschlafen aus dem Hörer.

»Heilige Makrele. Du liegst nicht etwa noch im Bett, du alte Schlafmütze?«

»Ich hattö mich schon gewundört, wie langö es mit der Rachö dauört«, seufzte Tahar, der es einige Monate zuvor erstmals geschafft hatte, mich um sechs Uhr morgens aus den Federn zu werfen. Er gähnte herzhaft. »Wie spät ist es denn?«

»Viertel vor acht.«

»Heiligör Bimbam, das ist ja noch mittön in der Nacht.«

Ich hörte das Rascheln von Bettzeug, das verschlafene Murren einer Frauenstimme und das Tappen nackter Füße – wie ich annahm, Richtung Küche und Kaffeemaschine.

»Unbezahlte Überstunden gemacht, der Herr?«, grinste ich. Tahars Erfolgsquote in der Damenwelt war legendär.

»Immör im Dienst, Madame Sandör, das wissön Sie doch«, gähnte er, und ich hörte die Türen seiner Küchenschränke auf- und zuklappen. Dann flüsterte er in den Hörer: »Wenn nur mein Namensgedächtnis bessör wärö.«

»Ach komm, du hast nicht schon wieder vergessen, wie deine neueste Eroberung heißt?«

»Man wird nicht jüngör«, stöhnte er, während er geräuschvoll Wasser in seine Kaffeemaschine schüttete.

»Welche Altersgruppe?«

»Mittö zwanzig.«

»Versuch’s mal mit Laura oder Marie. Das waren in den Neunzigern echte Renner.«

»Und wenn ich damit falsch liegö, hab ich nö Ladung Café im Gesicht«, seufzte er.

»Dann bist du wenigstens wach. Apropos – wie lange brauchst du, um einsatzbereit zu sein?«

»Einsatzbereit? Du denkst nicht im Ernst bei der Bullenhitzö an Arbeit?«

»Wie man’s nimmt. Wir suchen noch Verstärkung für einen Einsatz im Hangeweiher. Es gilt, einen oder mehrere Spanner zu erlegen.«

»Oh là là, Freibad? Das ist natürlich was ganz anderös. Obwohl, muss ich dann jedön Morgön um acht aufstehön?«, fragte er gequält.

»Aber nicht doch«, kicherte ich. »Fünf Uhr reicht völlig.«

»FÜNF UHR?! MORGÖNS?«

»Nur wenn du Frühschicht hast«, tröstete ich ihn. »Also, pack die Badehose ein, wir haben um neun ein Date mit der Freibadleitung.«

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08:55 Uhr, 27° Celsius

Eric und ich bummelten die paar hundert Meter von der Detektei zum Hangeweiher gemütlich zu Fuß, und Sammy schnüffelte den ganzen Weg aufgeregt in den Büschen herum. Als der Eingang zum Freibad um die letzte Kurve sichtbar wurde, sagte Eric: »Ich hoffe, wir müssen uns da nicht hinten anstellen. Sonst ruf ich schon mal den Pizzaservice fürs Mittagessen an.«

Während die lange Schlange vor dem Einlass sich langsam, aber einigermaßen zivilisiert vorwärtsschob, herrschte vor den drei Kassenautomaten heilloses Durcheinander. Eltern mit Kindern im Bollerwagen, verschlafene Studenten und genervte Teenies drängelten von hier nach da und wieder zurück, in dem Versuch, möglichst schnell an eine Eintrittskarte zu kommen, was – nach den diversen Flüchen zu urteilen – nicht so einfach war, wie es aussah.

Tahar saß mit dem Rücken an die Seite der Automaten gelehnt auf dem Boden und war, trotz des lauten Stimmengewirrs, ganz offensichtlich an Ort und Stelle gleich wieder eingeschlafen. Ich wollte ihn gerade mit dem Fuß anstupsen, als ich eine bekannte Stimme hörte. Ich sah mich suchend um und entdeckte meinen Nachbarn Oberst Krause a. D. in dem unglaublichen Gewusel. Wie immer war er wie aus dem Ei gepellt, in einer beigefarbenen Hose mit Bügelfalte und einem karierten, kurzärmligen Hemd.

»Fräulein Sander!«, winkte er aufgeregt und drängelte sich höflich, aber bestimmt durch die badewilligen Massen. »Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie schwimmen nicht gerne.«

Eric warf mir einen verdutzten Blick zu.

Ich knuffte Tahar sanft ein Knie gegen die Schulter und zog Oberst Krause ein Stück von der wimmelnden Menge weg. »Psst, Herr Oberst. Wir sind auch nicht zum Schwimmen hier«, flüsterte ich verschwörerisch.

Seine Augen begannen aufgeregt zu leuchten, und er flüsterte zurück. »Oh, Sie sind in geheimer Mission unterwegs?« Er tätschelte Sammy, der ihn begeistert begrüßte, den kleinen Kopf und sagte Eric höflich Guten Tag.

»Ganz recht. Und Sie? Ein Sonnenbad in Ehren?«

»Nein, nein, Fräulein Sander, ich bin schon wieder auf dem Heimweg. Ich bin im Sommer jeden Morgen hier bei den Frühschwimmern dabei. Tausend Meter jeden Morgen von Anfang Mai bis Mitte September. In meinem Alter muss man etwas tun, wissen Sie?« Der Oberst war inzwischen stolze achtzig Jahre alt und fit wie der berühmte Turnschuh.

»Respekt, Herr Oberst. Wo Sie das sagen, habe ich aber eine ganz spontane Idee.«

»Nein, Sie meinen wirklich, endlich …?«, strahlte er.

»Doch«, grinste ich. »Ihr lang ersehnter Undercover-Einsatz. Sie wollten doch immer mal mit einsteigen. Und …«, ich warf einen amüsierten Blick auf Tahar, »wenn wir jemanden für die ganz frühe Frühschicht hätten, würde das vor allem unseren IT-Kollegen hier sehr entlasten.«

»Melde mich zum Dienst!«, schnarrte Oberst Krause und salutierte.

»Psssst, nicht so laut!«

»Ach so, Entschuldigung«, wisperte Krause betreten. »Ich bin noch ganz neu bei diesem Undercover-Dings, Sie wissen schon.«

Ich klopfte ihm beruhigend auf den Arm. »Macht nichts, Herr Oberst, bei dem Krawall hier geht das sowieso unter – und wenigstens ist jetzt auch die Abteilung Frankreich wach.«

Tahar blinzelte verschlafen in die Sonne und rappelte sich stöhnend auf. Er küsste mich auf beide Wangen und begrüßte Eric und den Oberst. »Ich glaubö, ich muss mir das noch mal überlegön«, stöhnte er. »Diesö Arbeitszeitön …«

Der Oberst haute Tahar freundschaftlich auf die Schulter. »Sie haben wohl nicht gedient, junger Mann, was?«

Tahar zwinkerte dem Oberst zu: »Ich kann Ihnön versichörn, die französischö Armee zündöt heutö noch Kerzön an, weil diesör Elch an ihnön vorbeigegangön ist«, grinste er.

Plötzlich ertönte hinter uns ein lauter Pfiff. Verdutzt drehten wir uns um, und aus einem kleinen Metalltürchen circa dreißig Meter hinter uns winkte eine groß gewachsene, schlanke Endzwanzigerin mit blonden Haaren.

»Ich glaub, die meint uns«, sagte Eric. Also setzten wir uns, samt Tahar, Oberst und Sammy in Bewegung.

»Britta Sander?«, fragte sie, als wir bei ihr ankamen.

»Ganz recht«, sagte ich und streckte ihr die Hand hin. »Und Sie müssen Frau Brandauer sein.«

»Natascha, bitte, wir stehen hier nicht so auf Formalitäten. Aber kommt erst mal rein, bevor die Meute da unten auf die Idee kommt, sich hier in die Schlange zu stellen. Sie hielt das kleine Törchen auf und gab Eric und Tahar die Hand, als sie an ihr vorbeigingen. Zum Oberst sagte sie schmunzelnd: »Herr Oberst, Sie sind doch gerade erst gegangen. Schon wieder Sehnsucht?«

Der Oberst platzte fast vor Stolz. »Fräulein Sander verspricht mir schon so lange einen echten Undercover-Einsatz, und jetzt ist es endlich so weit.«

Natascha Brandauer lachte und führte uns an einem kleinen Häuschen vorbei über einen Trampelpfad durchs Gebüsch in ihre Wohnung. Irmgard Kohnen hatte uns erzählt, dass die jeweilige Freibadleitung schon seit eh und je auf dem Gelände lebte und so alles im Blick hatte, was sich tagsüber und nachts im Bad abspielte.

»Was ist denn in dem Häuschen drin, an dem wir eben vorbeigegangen sind?«, fragte ich neugierig.

»Chlorgas«, erwiderte Natascha freundlich.

»CHLORGAS?«, sagte ich entgeistert. »Seid ihr im Nebenjob Lagerstätte für chemische Kampfstoffe?«

Nataschas grüne Katzenaugen blitzten amüsiert, als sie sagte: »Nein, seit wir unsere Zulassung verloren haben, lagern wir das Zeug nur noch unter der Hand.«

Als sich das Gelächter gelegt hatte, sagte Eric. »Also Frau Sander, ehrlich, wann warst du denn das letzte Mal schwimmen? Das weiß doch jedes Kind – mit Chlor wird das Wasser desinfiziert. Was meinst du wohl, warum man nach Chlor riecht, wenn man aus dem Becken kommt.«

»Ich komm halt nicht so oft aus dem Becken«, murrte ich, in der Hoffnung, dass niemand weitere peinliche Fragen zum Thema Britta Sander und Schwimmen stellen würde.

Natascha lächelte mich freundlich an. »Mach dir nichts draus, Britta, ich schwimme schon, seit ich denken kann und hatte vor meiner Ausbildung zur Schwimmmeisterin auch keine Ahnung, wie das Chlor ins Wasser kommt, geschweige denn, in welchem Aggregatzustand es gelagert wird.«

In Nataschas kleinem, aber gemütlichem Wohnzimmer erwartete uns eine große, blaue Plastikbox und einer von Nataschas Kollegen im klassischen Aachener Schwimmmeisterdress – weißes Polohemd mit Aufdruck der Stadt Aachen, schwarze Shorts und Turnschuhe. Allerdings drehte er uns den Rücken zu, weil er aus dem Fenster sah. Als wir eintraten, drehte er sich um und sagte zu Natascha: »Lange können wir Hans da unten echt nicht alleine lassen, da ist schon wieder die Hölle los, und wir haben gerade mal neun Uhr.«

»Ich weiß, Guido, aber wir müssen uns kurz absprechen. Dann kannst du gleich wieder runter und ich mache mit den neuen Kollegen noch ’ne Führung, damit sie wissen, wo alles ist. Außerdem hab ich Volker eben unten gesehen, der hat ja auch den Rettungsschwimmer, sollte ausgerechnet in den nächsten fünf Minuten was sein.«

Guido Klaren schien sich etwas zu entspannen und begrüßte uns mit einem Händedruck, der sich gewaschen hatte. Genau wie Natascha war auch er sonnengebräunt und durchtrainiert. Er war vielleicht vierzig Jahre alt und unter den strubbeligen, hellbraunen Haaren funkelten hellwache, blaue Augen.

»Guido ist einer unserer beiden Schichtführer, Toby ist der zweite, den lernt ihr heute Nachmittag kennen – die beiden sind eure Ansprechpartner, wenn ich mal nicht greifbar bin. Die Schwimmmeister werden alle eingeweiht, wer ihr seid. Da ihr wahrscheinlich auch zeitweise als Schwimmmeister verkleidet rumlauft, müssen die unbedingt wissen, dass ihr nicht echt seid. Für alle anderen – also für Kassen- und Garderobenpersonal und für die Badegäste seid ihr externe Fachkräfte, die die Stadt zusätzlich angeheuert hat, weil dieses Jahr so viel los ist, okay?«

»Okay«, sagte ich. »Wo genau treibt sich unser Spanner denn rum?«

Guido kratzte sich am Kopf. »Das ist das Problem – überall.«

»Wie – überall? Ich dachte, diese Typen hocken hauptsächlich in den Umkleidekabinen herum,« sagte ich.

»Früher war das auch so«, sagte Natascha. Da haben die sich einfach ein Loch in die Trennwand zwischen den Kabinen gebohrt und dann durchgeguckt, wenn die Mädels sich umgezogen haben, der Klassiker halt. Seit wir die neuen Umkleiden haben, müssen sie sich mehr anstrengen, denn jetzt liegt zwischen zwei Kabinen immer eine Schrankeinheit. Wenn sie also in die Kabinen gucken wollen, müssen sie das über die Schränke hinweg machen. Geht, ist aber unbequem und vor allem auffällig. Kommt aber tatsächlich noch vor. Einen haben wir letzte Woche erwischt, den mussten wir dann vor dem erzürnten Freund des Mädels retten – der war schneller da als wir und hat ihm ein hübsches Paar Veilchen verpasst. Leider hat das das Problem nicht gelöst. Kaum war der weg, kamen die nächsten Beschwerden aus den Kabinen. Nur die beheizten Umkleiden bleiben verschont, die sind bei dem Wetter nur morgens zwischen halb sieben und maximal neun Uhr auf, da tummeln sich fast nur die Frühschwimmer wie unser Herr Oberst hier. Dafür haben wir aber Beschwerden von den Leuten, die hinten auf der Parkseite auf der Wiese liegen – da gibt es immer wieder Hinweise, dass sich da komische Typen im Gebüsch rumdrücken und glotzen oder gar fotografieren. Und seit vorgestern ist im Wasser jemand unterwegs, der jungen Mädchen und Frauen zwischen die Beine packt.«

»Das ist ja unerhört!«, rief der Oberst entrüstet.

»Ja holla, die Waldfee! Da habt ihr aber dieses Jahr das volle Programm, wie? Ist das immer so?«, fragte ich erstaunt.

»Nein, überhaupt nicht.« Guido schüttelte den Kopf. »Ich mach den Job jetzt seit über zwanzig Jahren, und so was hab ich echt noch nicht erlebt. Klar, Spanner hat’s schon immer gegeben, in den Kabinen und auch schon mal von der Parkseite aus. Aber an so viele Beschwerden wie in diesem Jahr kann ich mich nicht erinnern.«

»Wir hatten aber auch schon lange nicht mehr eine so heftige und lange Hitzewelle«, sagte Natascha. »Ich habe das Gefühl, dass da jetzt auch Volk aus den Löchern gekrochen kommt, von dem wir sonst verschont bleiben. Wenn wir sonst vielleicht mal einen in der ganzen Saison hatten, der einem Mädel zwischen die Beine gepackt hat, waren es in den letzten beiden Tagen schon drei, die sich beschwert haben. Und zwei davon kennen wir sehr gut – die denken sich das garantiert nicht aus.«

Ich runzelte die Stirn. »Blöde Frage, aber wenn mir jemand zwischen die Beine greifen will …«

»… hat der bessör schon sein Testament gemacht«, feixte Tahar.

»Das sowieso«, grinste ich, »aber abgesehen davon muss der ja ziemlich nah rankommen. Den seh ich doch dann spätestens nach vollbrachter Tat?«

Natascha und Guido tauschten einen Blick, und Guido sagte: »Kommt mal ans Fenster.«

Als wir uns alle um ihn gedrängelt hatten, zog er die Gardine beiseite.

»Heiligör Bimbam«, staunte Tahar. »Ist da überhaupt noch Platz für Wassör im Beckön?«

Guido lachte. »So grade noch, aber das ist noch Spaß im Vergleich zu dem, was hier heute Nachmittag los ist. Offensichtlich schafft der Typ es, so im Gewimmel unterzutauchen, dass die Mädels nicht sagen können, wer’s war. Vielleicht sind’s auch mehrere. Wir halten natürlich die Augen auf, aber bei so viel Betrieb haben wir alle Hände voll zu tun.« Guido ließ die Gardine nach einem besorgten Rundblick über beide Becken wieder fallen.

»Das kann ich mir lebhaft vorstellen«, sagte ich. »Das Beste wird sein, wenn wir uns aufteilen. Natascha, ich gehe doch recht in der Annahme, dass Sammy nicht im Freibad rumlaufen darf?«

»Korrekt. Du kannst ihn aber gerne hier oben lassen, wenn du nicht weißt, wohin mit ihm.«

»Okay, danke. Allerdings wird Sammy auch Dienst tun – und zwar mit dem Oberst im Park.«

Sammy lief zum Oberst und wuffte ihn auffordernd an, und der Oberst strahlte.

»Jawoll, Fräulein Sander. Sammy und ich gehen im Park Patrouille!«

»Fein, damit haben wir schon mal vier Augen auf denen, die im Gebüsch herumkrauchen, und ich geh als Lockvogel in die Umkleidekabinen«, schob ich schnell nach, bevor jemand auf die Idee kam, mich in die Nähe des Beckens stellen zu wollen. »Eric und Tahar – wollt ihr Hölzchen ziehen oder Armdrücken, wer als Schwimmmeister geht und wer als Badegast?«

Eric kratzte sich am Kopf. »Du willst nicht ernsthaft Tahar …?«

»Wieso, was ist denn mit ihm?«, fragte Natascha und musterte Tahar neugierig.

Der klimperte unschuldig mit den Wimpern, während Eric und ich uns grinsend einen Blick zuwarfen.

»Also es ist so – wenn wir den jungen Mann an den Beckenrand stellen«, sagte Eric, »schwappt das Wasser aufgrund erhöhter Verdrängungswerte aus dem Becken, weil sich das gesamte Weibsvolk immer da zusammenrotten wird, wo er gerade steht.«

Guido hob beeindruckt eine Augenbraue. »So einen Schlag bei den Mädels?«

Eric winkte seufzend ab. »Du hast ja keine Ahnung …«

»Wie macht er das?«, fragte Guido, ehrlich interessiert.

»Das ist ja das Schlimme – wir haben keine Ahnung«, sagte Eric.

»Soso«, sagte Guido amüsiert. »Da bin ich ja mal gespannt auf eine Livedemonstration. Wie sieht es denn ansonsten mit brauchbaren Qualifikationen aus? Irgendjemand ’nen Ersthelferschein?«

Eric und ich hoben die Hände.

»Rettungsschwimmer?«

Eric hob wieder die Hand.

Angeber.

»Bronze? Silber?«, fragte Guido.

»Gold«, sagte Eric bescheiden.

»Gold?!«, riefen Natascha und Guido gleichzeitig, und ihre Mienen hellten sich unversehens auf. Tahar, der Oberst und ich sahen Eric erstaunt an.

Der zuckte mit den breiten Schultern. »Ich bin früher im Verein geschwommen und schon lange in der DLRG.«

»Ja dann«, sagte Natascha, »herzlich willkommen, Kollege. Dann solltest du aber vom Beckenrand aus ein besonderes Auge auf Tahar halten – nicht, dass er von den begeisterten Weibermassen auf Grund gezogen wird«, grinste sie.

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20:30 Uhr, 29° Celsius

Kaum war der letzte Badegast gegangen, sanken Eric, Tahar und ich seufzend auf eine der großen, braunen Holzkisten am Rand des Schwimmerbeckens, während das Garderobenpersonal und die Schwimmmeister überall noch die Müllsäcke einsammelten und die letzte große Putzaktion des Tages absolvierten.

Nachdem Natascha am Vormittag mit uns eine komplette Führung über das Gelände und durch die Räumlichkeiten gemacht und uns die Spanner- und Grabscher-Brennpunkte gezeigt hatte, hatten wir uns in der Schwimmmeisterumkleide umgezogen – Eric in Schwimmmeisterkluft, Tahar in schluffiger Badehose und ich in meinem neu erstandenen Bikini.

»Mein lieber Herr Gesangsverein«, pfiff Eric durch die Zähne.

»Ja bitte?« Irritiert sah ich an mir herunter.

»Ich pack schon mal die Trillerpfeife aus – wenn du so rumläufst, wird’s nicht lange dauern, bis unser Fisch anbeißt«, grinste er. »Das Bild wird allerdings ein bisschen getrübt …«

Ich begutachtete die Narben auf meinem linken Bein, die ich einem brennenden Deckenbalken zu verdanken hatte. »Ja, ich weiß, schön ist anders. Hoffen wir mal, dass er sich davon nicht abschrecken lässt.«

Eric legte mir die Hand auf den Arm. »Ich meinte nicht dein Bein. Narben, die man sich holt, weil man jemandem das Leben rettet, sind nicht hässlich. Das Preisschildchen hingegen …« Mit einem Augenzwinkern rupfte er das Schildchen ab, das noch am Träger des Oberteils baumelte, und wollte sich zum Becken aufmachen.

»Sag mal, hast du dich eigentlich eingecremt?«

»Ja, Mama«, erwiderte er. »Sonnenschutzfaktor zwanzig.«

»Zwanzig? Das soll reichen bei deinem Wikinger-Teint?«

»Ach sicher, ich hab mich noch nie verbrannt.«

»M-hm«, machte Tahar, der die Sonne nur anzugucken brauchte, um knatschbraun zu werden. »Bist du sichör? Wenn du den ganzön Tag hier rumläufst?«

Eric rollte theatralisch mit den Augen, winkte uns zu und gesellte sich zu den Schwimmmeisterkollegen.

»Vergiss wenigstens nicht nachzuschmieren!«, rief ich ihm noch hinterher.

»Er muss es wissön«, zuckte Tahar mit den Achseln. »Abör wir holön bessör in der Mittagspausö einö Palettö Quark und einön Hunderterpack Panthenol-Salbö.«

Während der Oberst mit Sammy begeistert die Park-Patrouille aufnahm, hatten wir drei schließlich unsere diversen Positionen auf dem Gelände des Freibads bezogen – Eric am Beckenrand, Tahar im Schwimmbecken, und ich lungerte in den Umkleidekabinen herum.

Der erste Erfolg hatte nicht lange auf sich warten lassen. Um die Mittagszeit hatte Sammy, der sich kurzfristig von den Enten im benachbarten Weiher hatte losreißen können, einen fotografierenden Spanner im parkseitigen Gebüsch entdeckt und gestellt. Eine Überprüfung der Fotos durch den herbeigerufenen Streifenwagen zeigte, dass er sich in der Tat nicht für die Landschaft oder die schönen neuen Schwimmbecken interessierte, sondern auf Busenblitzer oder sonstige entblößte Körperteile lauerte. Da das Thermometer zu diesem Zeitpunkt bereits auf 35 Grad geklettert war, hatten wir den Oberst nach vollbrachter Tat nach Hause geschickt, Sammy in Nataschas Wohnung geparkt und die Suche nach unerwünschten »Bewunderern« der weiblichen Badegäste wieder aufgenommen. Am Nachmittag war mir dann in den Umkleidekabinen ein pickeliges Jüngelchen in die Falle gegangen, der doch tatsächlich über den Trennschrank zwischen zwei Kabinen hinweg fotografierte und zitterte wie Espenlaub, als ich vor seiner Kabinentür auf ihn wartete.

Als wir ihn der nächsten Streife übergaben, grinste einer von Körbers uniformierten Kollegen und sagte: »Ist hier heute Großreinemachen angesagt? Sollen wir hinten auf dem Parkplatz ’ne mobile Wache aufstellen? Langsam lohnt sich’s.«

Zufrieden mit unserem Tagwerk hingen wir am Abend erschöpft in den Seilen, und als Natascha mit einer Kühltasche über der Schulter und Sammy an der Leine auftauchte, sagte Tahar gerade: »Ich bin schon ganz schrumpölig. Wenn ich das noch ein paar Tagö machö, sehö ich aus wie ein Nacktmull.«

»Lass bloß die Klamotten an«, stöhnte Eric. »Sonst müssen wir noch mehr junge Damen zur Ordnung rufen, weil das Becken droht, in deine Richtung zu kippen.«

»Ich weiß jetzt, was ihr meint«, lachte Natascha. »Wir hatten alle Hände voll zu tun, exzessive Rudelbildung im Schwimmerbecken zu unterbinden. Wie machst du das?« Sie gab mir Sammys Leine und zog den Reißverschluss der Kühltasche auf. Dann reichte sie Tahar und mir ein eiskaltes Bier.

»Ich habö keinö Ahnung, abör ich bin froh, dass sie weg sind«, seufzte Tahar wohlig, knackte den Kronkorken am Rand des Sitzwürfels und nahm einen tiefen Schluck aus der Pulle.

Als Eric ebenfalls die Hand nach einer der Flaschen ausstreckte, legte Natascha den Kopf schief und musterte ihn kritisch. »Ich weiß nicht, ob Alkohol bei dir eine gute Idee ist.«

»Man sieht’s mir nicht an, aber ich bin über 18«, feixte Eric.

»Das schon, aber so verbrannt wie du bist, ist ein Sonnenstich nicht weit.«

»Verbrannt?«, Eric, der seit der Mittagszeit wie die beiden Kollegen oben ohne am Beckenrand gestanden hatte, musterte sich, so gut es ohne Spiegel ging.

»Ernsthafte Konkurrenz für jeden Hummer«, gab Natascha ungerührt zurück. »Hast du dich nicht eingecremt?«

»Doch«, gab er entrüstet zurück.

»Womit und wie oft?«

»Faktor zwanzig und … äh nicht so oft.«

»Nicht dein Ernst.«

»Die Kollegen haben auch nicht …«, protestierte er.

»Die Kollegen«, sagte Natascha streng, »machen seit Jahren jeden Sommer hier Dienst und sind an viel Sonne gewöhnt. Und natürlich sind die bei so ’nem Wetter eingecremt.«

»Ich stand aber auch unter dem Sonnenschirm«, sagte Eric, inzwischen recht kleinlaut.

Natascha stöhnte. »Man kann auch unter einem Sonnenschirm verbrennen. Das dauert nur länger.« Sie beguckte sich den Schaden genauer. »Das muss doch wehtun.«

»Jetzt, wo du’s sagst«, murmelte er. »Ich glaub, ich merk was.«

»Ich fass es nicht«, stöhnte Natascha. »Eure Jagd hat so gut angefangen, und jetzt das. So kannst du morgen auf gar keinen Fall in die Sonne. Wahrscheinlich die nächsten Tage nicht.«

Eric guckte bedröppelt aus der Wäsche.

»Ich bin gleich wieder da«, sagte Natascha und stiefelte zum Schwimmmeisterraum.

»Hab ich dir gesagt, zwanzig ist zu wenig oder hab ich dir gesagt, zwanzig ist zu wenig?«, schimpfte ich.

»Ja doch, Mutti«, Eric rollte mit den Augen.

»Was machst du denn hier, Guido?«, hörten wir Natascha sagen, die gerade wieder aus dem Schwimmmeisterraum kam. »Arbeitseifer in allen Ehren, aber deine Schicht fängt doch erst in neun Stunden an.«

»Ich war grad in der Gegend und wollte mal hören, wie der erste Schultag war.« Guido setzte sich neben Tahar und nahm sich ein Bier aus der Kühltasche.

Natascha reichte Eric eine riesige Tube Panthenol-Salbe. »Eincremen, zack, zack.«

Eric nahm die Tube entgegen, drehte sie auf und schnüffelte misstrauisch. Dann begann er, die stark fettende Creme mit gerümpfter Nase auf seinem Oberkörper zu verteilen.

Tahar legte den Kopf schief. »Noch einön Hauch mehr Rot und du kannst als chinesischö Flaggö gehön.«

»Ich glaube, für morgen brauchen wir einen neuen Schwimmmeister, der alte ist kaputt«, sagte Guido trocken.

»Ja mein Gott, dann soll doch Frau Sander am Becken Dienst machen«, brummte Eric.

»Und du gehst als Lockvogöl in die Umkleidö odör wie?«, gackerte Tahar. »Dann hoffön wir mal, dass ein Spannör dabei ist, der auf zwei Metör großö, blondö Wikingör steht statt auf Frauön.«

»Oh«, sagte Eric.

»Ganz recht, oh«, sagte Natascha. »Und jetzt?«

»Und jetzt sind wir alle mal ein bisschen froh, dass die liebe Frau Sander immer so umsichtig vorausplant«, sagte ich zufrieden und überhörte geflissentlich Tahars dezentes Hüsteln. »Ich hab heute Nachmittag mit Jyoti telefoniert, die uns gegen freien Eintritt gerne als Lockvogel behilflich ist.« Ich sah auf die Uhr. »Ich hol sie nachher vom Bahnhof ab, dann sind wir morgen zur Frühschicht startklar.«

Da Erics Gesicht eh knallrot war, sah man nur bei genauerem Hinsehen, dass er bei der Erwähnung von Jyotis Namen noch mehr errötete, wie immer.

»Bestens«, freute sich Natascha. »Dann kannst du ab morgen ans Becken und Tahar macht weiter die Wasserschutzpolizei und patrouilliert die Wiese.«

Ich räusperte mich. »Es gibt da nur einen klitzekleinen Haken.«

»Und der wäre?«

»Ich kann nicht schwimmen.«

Guido verschluckte sich an seinem Bier. »Du kannst nicht schwimmen

»Na ja, also so ein bisschen … öhm … ertrinken tu ich nicht, oder sagen wir nicht sofort …«

»Du veralberst uns, oder?«, sagte Eric, der mit fett verschmierten Händen mitten im Balsamieren innehielt. »Du bist doch sonst so sportlich.«

Ich zuckte mit den Achseln. »Laufen, Springen, Bälle aller Art – kein Problem. Alles, was sich im Wasser abspielt, vergiss es.«

»Zeigen«, sagte er.

Seufzend stellte ich die Bierflasche zur Seite, aus der ich nur zwei Schlucke getrunken hatte, und kletterte über die Leiter ins Wasser.

»Also streng genommön darf sie dann ja gar nicht ins Schwimmerbeckön …«, wandte Tahar ein.

»Wir stehen ja daneben«, sagte Natascha, »und mir ist hier noch niemand ertrunken. Also dann mal los, Sherlock.«

Tapfer ließ ich die Leiter los und fing an zu paddeln.

Es dauerte nicht lange, bis Tahar und Eric sich kugelten vor Lachen. »Was ist das denn für ein Schwimmstil? Biene Maja in Seenot?«, hörte ich noch, bevor Sammy neben mir ins Wasser platschte und ich prompt unterging.

Prustend und heftig strampelnd tauchte ich wieder auf und griff nach der rettenden Leiter. Sammy paddelte fröhlich hechelnd neben mir herum.

»Ich geb dir gleich Biene Maja«, schnaufte ich und wandte mich an Guido und Natascha, die sich mühsam das Lachen verbissen. »Habt ihr vielleicht irgendwo noch ein paar Schwimmflügelchen rumliegen? Dann komm ich schon klar.«

»Gigantisch – Schwimmflügelchen für die Biene Maja«, wieherte Eric. »Die gibt’s bestimmt auch in schwarz-gelb gestreift. «

»Passönd zum Heimatverein – Britta schwimmt ungefähr so wie die Alemannia spielt«, kicherte Tahar.

»Na ja, wenigstens brauchen wir nicht lange zu überlegen, welchen Tarnnamen die Kollegin diesmal annimmt«, gackerte Eric.